Mit dem Crewwechsel befinden sich jetzt an Bord: Uli, Astrid, Graham, Ecki, Uschi, Frank und Annette. ANUK liegt im herrlichen Sonnenschein in der Bucht vor Ittoqqortoormiit inmitten der Eisschollen. Wir wollen in den Scoresby Sound fahren und beobachten die Eiskarten. Noch ist das Eis zu dicht, so dass wir zunächst kleinere Tagesfahrten unternehmen. Die erste Fahrt führt uns nach Amdrup Havn. Wir gleiten langsam durch die Eisschollen, ein riesiges Labyrinth aus wechselnden Farben und Formen. Gerne hätten wir am Ende an einem Wasserfall für die Nacht geankert. An dieser Stelle führt über einen langen Abhang ein Schneefeld in die Bucht, auf dem ein scharfer Wind aufs Wasser surft – kein lauschiger Platz für die Nacht. Wir schlängeln uns zurück nach Ittoqqortoormiit. Am Abend bekommen wir Besuch von Magda und unserer neuen Inuit-Freundin, die wir auf der Volksfest-Eisscholle kennengelernt haben. Sie ist 23 Jahre alt und erzählt uns über ihr Leben in dem kleinen Ort. Sie hat die Oberschule in Westgrönland besucht und ist vor einem halben Jahr zurück nach Ittoqqortoormiit gekommen. Hier lebt sie mit ihrem Vater und ihrem kleinen Bruder und arbeitet aushilfsweise im Kindergarten. Sie kann sich schlecht an die alte Lebensweise anpassen, weiß aber auch nicht, wie sie heraus kommt. Während sie hier sitzt, erzählt sie uns traditionelle Geistergeschichten, die immer von einem Mann handeln, der in Seehundfell gekleidet aus den Bergen in die Dörfer kommt und Kinder stehlen möchte. Er hat einen bestimmten Geruch, an dem er immer wieder erkannt wird. 

Auch der nächste Tag empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein. Zwar ist der Sund noch nicht frei, aber erneut suchen wir unseren Weg durch das Eis. Heute stehen auch Graham, Frank und Uschi am Steuer. In aller Ruhe können wir von den unendlich vielen Eisschollen ebenso viele Fotos schießen.

Am Kap Tobin befindet sich eine verlassene Siedlung, dort soll auch eine heiße Quelle sein. Dies Vorfreude auf ein gepflegtes Bad im Hot Pot hatte uns Paul schon genommen: Er war auf geführter Kajaktour dort und stellte fest, dass die Einheimischen Eisbärschädel in der heißen Quelle abkochen. Sein Foto war so eindeutig, dass wir keinen Bikini mitnahmen.

Graham, Astrid, Frank und Annette machten sich dann gut bewaffnet auf den Weg. Vor den meisten Häusern, die teilweise noch als Jagdhütten genutzt werden hängen Eisbärfelle zum Trocknen. Wir gehen mit einem Kribbeln im Nacken bis zur Spitze der Halbinsel und kommen sicher zurück. Als wir zunächst das Beiboot nicht finden zeigt sich Grahams britischer Humor: Where is the dinghy? THE POLARS ARE USING IT FOR A PICNIC!! WE HAVE GOT THEM.

Noch immer bleibt die Eiskarte für den Sund weiß. Dann wird gewandert. Das Expeditionsteam Frank, Graham, Astrid, Uschi und Annette starten gut ausgestattet in die Berge. Wege gibt es nicht, wir finden aber zwischen den Felsen und Schneefeldern farbige Markierungen, die angepeilt werden können. Es ist erstaunlich, wieviele kleine hübsche Blüten sich zwischen den Steinen eingebettet entfalten. Von den schönsten Felsen aus starten wir die Drohne und machen ein paar Gruppenselfies.

Am Abend lädt Paul zum Lachsessen ein, den er mit seinem Guide gefangen hat. Für acht Leute war der Fisch zwar nicht ausreichend, aber viele Abenteuergeschichten füllten den Tisch reichhaltig. Noch in der Nacht mußte Paul dann zur Polizei! Der örtliche Polizist möchte nächstes Jahr mit seiner Frau nach Neuseeland reisen und brauchte von dem Neuseeländer noch Reisetipps…

Text: Annette

Frank haben sich am Inlandsflughafen getroffen. Indem wir unser Gepäck zusammen auf die Waage stellten, konnten wir genau die erlaubten 20 kg pro Person einhalten, so dass Ulis Lübecker Marzipan auch den Weg nach Grönland fand. Die 3,5 Stunden flogen wir über den Wolken, doch vor Grönlands Küste brach die Wolkendecke auf und eröffnete uns einen spektakulären Blick in den Scoresbysund. Wir landeten in Nerlerit Inaat. 1985 hatte eine Ölgesellschaft hier den Flughafen Constable Point gebaut. Als sie fünf Jahre später den Platz ohne Erfolg verließ, blieb er in dänischer Verwaltung und wird von Island aus angeflogen. Wir stiegen hier mit mehreren einheimischen Familien aus, die alle mit einem Helikopter nach Ittoqqortoormiit gebracht werden mussten. Der Pilot war ein junger Deutscher, der dort jeweils im 3-Wochen-Rhythmus arbeitet und schon einiges über die Region erzählte. Uschi und Ecki saßen im ersten Flug, dann kamen die grönländischen Familien mit insgesamt neun Kindern. Frank und Annette hatten den letzten Flug und nutzten die Wartezeit in der grönländischen Sonne für Gespräche mit dem Neuseeländer Paul und eine Wanderung mit dem Flughafenchef Morton zum nahegelegenen Fjord. Er gab uns viele Informationen zum Flughafenbetrieb, der lediglich aus ein paar Containern und Hütten besteht, in denen das Personal und die Piloten wohnen sowie seinem Leben als Däne in Grönland. Für das lange Warten wurden Annette und Frank mit einem fantastischen Heliflug über den eisbedeckten Sund und die Berge belohnt.

In Ittoqqortoormiit erwartete uns am Heliport Mette, die unser Gepäck mit einem Quad zu ihrem Gästehaus brachte. Wir folgten in einem kurzen Spaziergang zusammen mit Paul, vorbei am obligatorischen Kunstrasen-Fußballfeld, den ersten aufgehängten Eisbär- und Moschusochsenfellen zu dem gelben Gasthaus. Hier hatten Uschi und Ecki schon gekocht und es folgte ein geselliger Abend mit Paul, der zum Kajakfahren hergekommen ist. Ungewiß blieb, wann wohl ANUK ankommt.

Am nächsten Tag gingen wir wieder bei strahlendem Sonnenschein zu Mettes Touristenbüro. Sie hält hier die Organisation der touristischen Aktivitäten zusammen. Vorab hatte Uli bereits zwei Waffen bestellt. Ohne diese können wir den Ort nicht verlassen. Da das bisher nicht unser Thema war, erhielten Frank und Annette eine Einweisung von einem Jäger. Es gesellten sich gleich drei Kinder zu uns, die mit ihm verwandt waren und so spazierten mit Uschi insgesamt zu siebt zur Walrossbucht, einem sehr langen Sandstrand mit türkisem Wasser. Die Kinder warfen sofort Schuhe und Strümpfe in den Sand und wateten ins Wasser. Als Frank es ihnen gleichtat schmerzten ihn bei 1 Grad Wassertemperatur sofort die Füße. Wir erhielten eine Einführung in die Waffe und machten dann erste Aufnahmen mit der Drohne. Die Eisberge sind so schön! Ob wohl die ANUK schon welche gefunden hat?

Den nächsten Tag wollten Uschi und Ecki mit ein wenig einkaufen und dem Blick aus dem Fenster auf die Bucht genießen. Frank und Annette hatten sich Kajaks gemietet und haben eine lange Tour gemacht. Auch hier mussten sie ein Gewehr mitnehmen, da Walrösser für Kajaks sehr gefährlich werden können, insbesondere wenn sie in Paarungsstimmung sind. Außerdem sollten wir für den Fall, dass wir Narwale sehen sofort an Land paddeln. Denn diese würden gejagt und in diesem Jahr seien noch keine gesichtet worden. Wenn sich die ersten Tiere zeigen würden, dann würde die Jagd für uns Kanuten sehr gefährlich sein. Arme Einhörner…

Mit diesem Wissen fuhren wir die Küste entlang, vorbei an Eisschollen und Wasserfällen. Außer Wasservögeln haben wir keine Tiere gesehen, trotz Landpicknick und ausgelegter Angel. Abends erzählte uns Paul, dass ganz in der Nähe ein Eisbär geschossen worden sei.

Am Abend tauchte auf dem Schifffahrtsradar ein einsamer lila Pfeil auf. Konnten dass unsere wackeren Segelschwestern sein? Die ganze Nacht über bewegte sich der Pfeil langsam und in Schlängeln voran. Am Morgen dann bog er auf der Karte in den Sund ein. Ab da schauten wir mit dem Fernglas in den Morgennebel. Und als die Sonne diesen langsam anhob rief Uschi die erlösenden Worte: Ein Schiff! Tatsächlich hatte sich ANUK als erstes Schiff dieses Jahr in den Scoresbysund durchgeschlagen – diese Teufelsweiber! Das gab ein ordentliches Hallo und wir machten zu sechst einen langen Abendspaziergang in die Wallrossbucht. Für den nächsten Tag wurde der Crewwechsel vereinbart.

Ulis Geburtstag!

Ulis erstes Geburtstagsgeschenk war ihre 05.00-06.00 Uhrwache, die ihr abgenommen wurde. So konnte sie gut ausgeschlafen ein reichhaltiges Geburtstagsfrühstück genießen. Auch der Gabentisch war großzügig gedeckt mit Geschenken, die schon in der Heimat den Weg an Bord fanden. Sie hat in den nächsten Wochen ausreichend Lesestoff und kann Karten spielen und dabei Whisky trinken. Ihre Crew hat für sie in Ittoqqortoormiit wunderbar weiche und warme Seehundfellhandschuhe gekauft. Aber heute wurden sie nicht gebraucht. Die Sonne schien wie an der Adria und tatsächlich zeigte sich eine kleine Sonnenröte auf dem Gesicht des Geburtstagskindes. Wir blieben heute faul in der Bucht, den hier gab es ganz großes Kino. Zunächst haben jetzt weitere vier Segeljachten den Weg nach Grönland geschafft. Mit allen Franzosen, Polen, Holländern, Briten … wurde vom Dinghi aus ein kleiner Schwatz gehalten und nochmal festgehalten: Uli und Astrid waren die Ersten! Und zum Schluß erschien zwischen den Eisschollen – ein Kreuzfahrtschiff! Kaum war dem Anker am fallen, spuckte das Schiff Mengen von roten Menschlein aus, die den Ort wie überrannten. Es sah lustig aus vom Deck der ANUK, als sich die roten Punkte wie in einem Computerspiel über Ittoqqortoormiit verteilten und nach drei Stunden wieder am Ausgangspunkt sammelten. Wir hatten mittlerweile neue Eiskarten und den Plan gefasst, am nächsten Tag in den Sund zu starten. Daher mussten auch Uli und Annette noch schnell in den Ort, um kurz vor fünf Bier und Wein aus dem einzigen Geschäft zu bunkern. Beim folgenden Spaziergang wurden wir sehr erstaunt: Mette hatte vor Nanu-Travel ein Zelt aufbauen lassen und einen alten Inuit mit einer Eisbärfellhose und -Handschuhen postiert. Das war der Magnet für ihren Shop und die meisten roten Punkte machten dort einen Stop. Außerdem wurde die Kirche geöffnet, was wir zuvor nicht einmal am letzten Sonntag beobachten konnten!

Am Pier trafen wir Jens, der zwar erst zur nächsten Crew gehört, aber bereits am Captainsdinner mit Lammkeule, Rotkohl, köstlichster Sauce und Kartoffeln teilnehmen durfte.

Nun ist die Bucht voller Boote und es wird Zeit, sich auf den Weg zu machen. Wir fahren zusammen mit der Tilvera, auf der Astrids alter Freund Heinz mit seiner Familie eine Abschiedsfahrt durch die Arktis macht. 

Text: Annette