Am Nachmittag kommt Graham an Bord. Statt wie geplant nach Ittoqqortoomiit zu fliegen, steigt er schon hier zu, um uns auf der Überfahrt zu begleiten. Graham haben wir 2018 in Südgrönland kennengelernt. Sein Motto Seven Summits – Seven Seas. Jetzt noch Two Sisters, von den Seven Sisters hatte er noch nicht gehört. Für alle Unwissenden: diese Berge stehen in Norwegen und sind nicht ganz so hoch und nicht ganz so bekannt.

Bei bestem Segelwetter ging es dann los. Frische Brise, Segel gerefft, 7 kn Fahrt Richtung Norden. Auf ins Eis! Plan A war, dass wir durchkommen, am 23. Juli ankommen (also mit 1 Tag Verspätung gegenüber der ursprünglichen Planung) und Eshana und Wolfgang am 24. Juli ihren Flug nach Island erwischen. Plan B kommt zum Tragen, sollte das Packeis zu dicht sein. Wenn wir länger brauchen, besteht die Option die Flüge auf den 27. Juli umzubuchen. Plan C würde bedeuten, dass wir nicht durchkommen, zurück nach Island fahren, Eshana, Wolfgang und auch Magda und Gunther absetzen und unser Glück später nochmal probieren, dann allerdings nur zu dritt. Plan C will niemand.

Nach etwa einem Tag, am Freitag, flaut der Wind wie vorhergesagt ab und wir starten den Motor. Meist fahren wir durch dichten Nebel, ab und zu kommt die Sonne von oben durch. Samstag früh erreichen wir die Eiskante. Sie kündigt sich durch einzelne kleine Eisbrocken im Wasser an, wenige Minuten später sind es große Schollen und Brocken, zu dicht um durchzufahren. Wir navigieren an der Kante entlang gen Norden. Das Radar hilft, da die Sicht wirklich mies ist. Abends versuchen wir auf Höhe Kap Tobin an der Nordseite des Scoresbysundes den Eisgürtel zu durchfahren und brechen nach etwa 3 sm wieder ab. Ohne Satellitenbilder lässt sich nicht einschätzen, wie breit der Eisgürtel ist. Rechtzeitig bevor es zu eng wird das Schiff zu wenden müssen wir umdrehen. Erstmal also wieder raus. Bis Mitternacht arbeiten wir uns an der Eiskante weiter nach Norden vor. Dort vermuten wir, dass das Eisfeld etwas lückiger wird. Wir bibbern vor Kälte und ob der Unsicherheiten. Ob wir überhaupt eine Chance haben durchzukommen, wissen wir nicht. Und der Eisgürtel hier draußen ist ja erst die erste Hürde. Drinnen im Sund kann auch noch alles dicht sein. Zum Wachwechsel kündigt Uli an, dass wir nicht ewig weiter nach Norden fahren können und bald umdrehen müssen. Wir befinden uns bereits rund 15 sm nördlich der Einfahrt in den Sund. Der Nebel lichtet sich. Im Norden leuchtet der Himmel von der nicht untergehenden Sonne. Es klart auf. Nächster Vorstoß. Hinter dem Eis ist tatsächlich offenes Wasser zu erkennen. Also los, rein ins Eis. Uli steuert zügig durch die Lücken. Alles ist in Bewegung, eine leichte Brise und die Strömung schieben das Eis langsam ineinander, durcheinander und weiter. Wir sind fast durch, dann wird es eng. Nur 2-3 Schifflängen trennen uns vom freien Wasser aber vorne ist alles dicht. Wir suchen uns die größte Lücke aus und fahren ganz langsam rein, schieben die Schollen cm für cm zur Seite. Eshana und Wolfgang arbeiten am Bug mit Stange und Bootshaken. Sie schieben einerseits das Eis weg und manövrieren 18 t Schiff in die gewünschte Richtung. Das Eis schabt am Rumpf. Es ist mega spannend. Gut, dass wir ein stabiles Schiff haben! Mal schiebt das Eis das Schiff, mal schiebt ANUK das Eis sanft zur Seite. Irgendwann helfen Wind und Strömung doch, wir kommen frei und sind durch. Offenes Wasser voraus! Grönland, wir kommen!

Ich (Astrid) lege mich schlafen. Die Freiwache ist jetzt kurz und ich brauche etwas, um runter zu kommen und einzuschlafen. Früh um 4 Uhr muss ich wieder raus. Wir haben inzwischen die Einfahrt in den Sund erreicht. Die nahe Küste ist auf dem Radarbild gut erkennbar, dank des dichten Nebels ist sonst leider nichts zu sehen. Pünktlich zum Wachwechsel treffen wir vor Kap Lister wieder auf Eis. Wieder ist es zu dicht, um durchzufahren. Wir weichen nach Süden, dann Südwest aus. Irgendwann wird das Eis voraus immer dichter und wir entschließen uns Richtung Westen weiter in den Sund vorzuarbeiten. Der dichte Nebel macht es schwierig, einen passierbaren Weg zu finden. Erfreulicherweise kommen wir Stück für Stück weiter. Kap Swainson liegt hinter uns. Pünktlich zum Wachwechsel um 8 Uhr werden die Eisschollen nach und nach kleiner. Bei dichten Nebel arbeitet sich jetzt Eshana weiter vor. Radar und Ausguck am Vorschiff helfen, um den Eisbrocken auszuweichen. Um 9:22 Uhr ist es soweit: Land in Sicht! Begeisterter Ausruf von Eshana. Kap Tobin und die verlassene Siedlung Unarteq tauchen vor uns auf, ganz dicht, nur wenig Eis. Riesige Freude und Erleichterung – wir sind durch! So schnell wie der Nebel kommt, so schnell klart es auch auf. Bald haben wir freie Sicht und Sonnenschein. Ein grandioser Sonntagmorgen. Für die nächsten 6 sm bis Ittoqqortoomiit (Scoresbysund) benötigen wir 3 Stunden. Eine schöne Slalomfahrt durchs Treibeis. Im Sonnenlicht ist das Eis wunderschön! Um kurz nach 12 Uhr fällt der Anker dicht vor der Siedlung. Annette, Frank, Ecki und Uschi stehen am Ufer. Sie konnten unseren Zickzack Kurs durchs Eis schon länger verfolgen.

Wir sind in diesem Jahr das erste Schiff. Wir freuen uns riesig über unser Glück und freuen uns auf die Zeit hier!!!

Text: Magda und Astrid