Vor knapp 5 Jahren haben wir Grönland verlassen und es war klar, dass wir zurückkommen wollen. Die Ostküste sollte es ja auch nochmal sein. Einsam, mehr Eis und anspruchsvoller. Und jetzt sind wir hier, im größten Fjord der Welt, im berühmten Scoresbysund. Er hat es uns dieses Jahr nicht einfach gemacht. Nach dem kalten Winter in der Arktis hält sich das Eis hartnäckig und unsere Törnplanung geht nicht ganz auf. Mit uns warten einige Segler auf Island, wer Zeit hat vertreibt sich die Zeit einfach dort, andere sagen Etappen ab.

Wir sind die ersten dieses Jahr, die es nach Ittoqqortoormiit geschafft haben, wenige Tage später folgen weitere Yachten und auch ein Cruise Ship ankert in der Bucht.

Nachdem wir es hierher geschafft haben hängen wir in Ittoqqortoormiit mehr oder weniger fest. Der Rest des Fjords ist noch zu, selbst am Ankerplatz müssen wir ständig Eisschollen ausweichen. Mit TILVERA zusammen versuchen wir eine Fahrt in den Fjord, kommen nur langsam voran und brechen irgendwann ab.

Als Schiffsführung beobachtet man besorgt die Windvorhersagen, zum Glück bleibt es ruhig. Starker Südwind würde unser „Gefängnis“ Ittoqqortoormiit schnell sehr ungemütlich machen, die alternativen Ankerbuchten sind leider auch mit Eis gefüllt.

Auch wenn wir nicht weiterkommen gibt es viel zu sehen und zu unternehmen: den Strand der Kvalrosbukta um die Ecke erkunden, Paddel- oder Dinghyfahrten zwischen den Eisschollen, ein Landgang zur verlassenen Siedlung Kap Tobin, Gespräche mit anderen Reisenden oder das reduzierte Sortiment des Ladens inspizieren (Das Versorgungsschiff war dieses Jahr bei unserer Ankunft noch nicht da.). 

Den Kurs für „Slalomfahrt im Eis“ absolvieren natürlich auch alle erfolgreich. Mit etwas Übung lässt sich ANUK gut manövrieren.

Einmal trauen wir uns um Kap Swainson raus nach Norden. Es erwarten uns Nebel und Frost. Gelegentlich wird uns ein kurzer Blick auf die Küste gegönnt. Unser Ziel Sandbach Halvø am Kolding Fjord ist nur auf dem Radar zu erkennen. Der Strand mit Hütte taucht erst schemenhaft im Nebel auf als wir dicht davor sind. Dass derzeit dort stationierte Forschungsteam aus Frankreich entdeckt uns trotzdem. Der Landgang fällt wegen des Nebels kurz aus, es ist zu gefährlich (Eisbären). Die Crew besucht kurz die Forscher:innen und lädt sie ein uns an Bord zu besuchen. So sitzen wir abends dann zusammen und erfahren viel über Krabbentaucher und diskutieren über veränderte klimatische Verhältnisse usw. Was mich überrascht, alle drei sind die fünf Wochen hier auf Grönland während ihres Urlaubs. Sie fangen Krabbentaucher und befestigen kleine Sender an ihnen. So kann untersucht werden, wo sie sich aufgehalten und wohin die Vögel im Laufe des Jahres ziehen. Anscheinend kehren sie immer wieder zur selben Brutkolonie zurück (hier sollen es über 100.000 Tiere sein.). 

Auch an diesem Ankerplatz beschäftigt uns treibendes Eis. Weiter nördlich ist noch alles zugefroren, der Fjord westlich ist ebenfalls noch eisbedeckt. Die Captain entscheidet um 02:00 Uhr wieder nach Süden Richtung Scoresbysund zu laufen. In der Hoffnung vor dem nächsten Windfeld, was die Eisbedingungen wieder ändern kann, in den Scoresbysund zurückzukommen. Klappt leider nicht. Wir laufen mit bis zu 25 kn Wind im dichten Nebel nach Süden. Der Nebel gefriert und das Rigg wird von einem Eisfilm bedeckt. Da sich die Bedingungen an Kap Hodgson nicht bessern laufen wir am frühen Morgen in die Buchten hinter Raffles Ø ein. Wind und Nebel bleiben draußen, unsere Ziel, ein Ankerplatz im Lillefjord (Kangertivatsiákajik) ist mit frischen Eis bedeckt. Es ist zum Glück so ruhig, dass wir uns einfach ein paar Stunden treiben lassen. Die Landschaft ist atemberaubend, die Sonne angenehm warm. Das Eis aus dem Rigg taut schnell und prasselt an Deck. Der Windmesser funktioniert irgendwann auch wieder. 

Welch ein Kontrast zum Wetter des Vortages und der Nacht.

In der darauf folgenden Nacht nutzen wir eine Windpause und kommen wieder gut zurück nach Ittoqqortoormiit. Die dort auf uns wartenden Infos zum Crewwechsel sorgen für Unruhe, Captain Uli fühlt sich an Büroalltag erinnert (siehe folgenden Blogbeitrag).  

Schon ein komisches Gefühl, nach fünf Jahren, einem Jahr Planung und drei Monaten Anreise jetzt hier zu sein und doch nicht so ganz. Es kommt doch immer alles anders. Das Wetter bestimmt hier alles und wir müssen uns immer wieder darauf einstellen. Manchmal ist es frustrierend, manchmal betrachtet ich das Geschehen mit Sorge und ganz ganz oft ist es einfach nur faszinierend. 

Wer es noch nicht kann lernt Gelassenheit, die Dinge zu nehmen wie sie kommen. Nächtliche Ankerwachen wegen der Eisschollen sind z.B. eine gute Gelegenheit für philosophische Gespräche.

Was folgt berichtet wer anders.

Text: ULI (03.08.2023)