Der Anker ist geworfen und wir ruhen uns aus, damit wir uns die nächsten Tage mal wieder in das hektische Großstadtleben begeben. Dank Ulis Ortkenntnissen legen wir sehr schön vor Anker am Nordwestarm von Halifax. Die geneigten Leser*innen dürfen nun eine Karte konsultieren. Wir besuchen am nächsten Tag gemeinsam die Zitadelle der Stadt, treffenderweise zur zwölf Uhr Zeremonie des Kanonenschusses der Guards. Die Zitadelle vermittelt einen guten Eindruck über den britischen Einfluss, der nicht nur namentlich bis heute in der Region „Novia Scotia“ deutlich zu spüren ist. Halifax ist insgesamt keine typische Touristenhochburg und auch die hohe Dichte an Menschen, die sich am sozialen Rand der Gesellschaft befinden ist eher der typische einer amerikanischen Großstadt. Am Nordwestarm gehen wir nochmal zwei Nächte in die Marina. Hier liegen viele Eignerboote und auch der Charme der Marina ist etwas rauer – also ganz nach unserem Geschmack. Von hier aus kann man herrliche Laufstrecken wählen, die einen guten Eindruck über die umgebende Natur vermitteln. Nach all den Monaten treffen wir dann auch mal wieder auf andere Segelboote, die größenteil ihre Route ebenfalls Richtung Grönland festgelegt haben. Uta lädt unseren netten französischen Nachbarn ein, dessen Crew einen Roadtrip nach Quebec unternommen hat. Beindruckend ist, dass er mit 24 Jahren das älteste Crewmitglied zu sein scheint. Die Bootsführung übernimmt ein 21-jähriger Berufssegler.

Von Halifax geht es dann nach Sheet Harbour. Hier wettern wir in der Bucht ab. Till, Gerda und Uta unternehmen eine kurze Wanderung und freuen sich, dass die boreale Zone Einzug findet. Coast-Guards, die Spenden sammeln, freuen sich sichtlich über das erste Boot im Jahr und sind neidisch über die Überfahrten, die die Anuk schon hinter sich gebracht hat.

Wir verlassen Sheet Harbour, wo wir ein schönes digitales Abbild unseres Ankers hinterlassen und fahren Richtung Liscomb. Auf der Fahrt kommen wir dann an den frischesten Lobster, den man sich vorstellen kann. Dort schmeißen wir unseren Anker. Till und Gerda fahren auf Empfehlung von Uli an Land und sind begeistert. Der Liscomb River hat einen reißenden Lauf, der durch einen schönen Wanderweg erschlossen ist. Am Abend genießen wir dann unseren herrlichen Lobster mit Kartoffeln und einer köstlichen Soße – Captains Dinner halt.

Wohl gestärkt brechen wir am nächsten Tag zu unseren Überfahrt Richtung Neufundland auf. Novia Scotia verabschiedet uns mit achterlichen Wind in der Genua. Das Wetterrouting deutet aber schonmal an, dass es eher Motor- als Segelsport wird. Hat den Vorteil, dass die Motorheizung uns die Nacht etwas angenehmer gestaltet, denn die Temperaturen werden fallen. Es bleibt dennoch das Gefühl – je kälter es wird, desto lebendiger die See. Am zweiten Tag am Morgen sehen Uta und Till am Horizont wieder mal eine springenden Buckelwal – einfach schön. Immer wieder passieren wir schwimmende Hochseevögel – der Papageientaucher ist sicherlich die bekannteste und vielleicht auch niedlichste Variante. Die elegantesten sind aber die unterschiedlichen Tölpelarten, die mit ihren abgewinkelten Flügeln über die See gleiten. Eine glatte See hat in dieser Hinsicht seine Vorteile. Am zweiten Tag passiert uns wahrscheinlich ein Schwertwal in unmittelbarer Nähe. Die Bestimmung kann nicht genau gegeben werden, denn das Beiboot versperrt Till die Sicht, der von dem lauten Ausatmen des Meeressäugers aufgeschreckt wird. Kurze Zeit später sehen Till und Uta noch eine lange, sichelförmige Finne. Abends sichten wir dann eine Familie voraus mit ähnlichen Merkmalen. Die Körperfärbung ist zwar eher gräulich, aber die Finne einfach markant lang, spitz und sichelförmig. Unabhängig dessen gilt an dieser Stelle es wieder den Eindruck zu wiederholen, dass wir uns in einer Region befinden, die gerade für den eingesessenen Ostseesegler noch nach einer intakten Meereswelt erscheint. Aber auch hier ist das maritime Leben in einer akuten Bedrohungslage! 

Mit der Passage der Sankt Lorenzen Straße treffen wir nun auf den Labradstrom, der die Temperaturen nun etwas weiter nach unten treibt – es wird nun so richtig nordisch. Hier setzt dann auch alsbald wieder der durch die warme Luft aus dem Süden kommende, für diese Gegend charakteristische Nebel ein. Neufundland ist in dieser Hinsicht weltweiter Spitzenreiter. Dies bestärkt unsere Angst vor den Lobster-Pots, die sich zum Glück nicht bestätigt. Glück haben wir dann auch als sich die Nebelwand löst und wir einen wunderbaren Blick auf die imposanten Gesteinsschichten Neufundlands bekommen. Ein kurzer Blick auf eine geologische Bestimmungskarte zeigt, die Region Neufundland ist auch in dieser Hinsicht vielfältig. In Trepassey legen wir am guten Public Dock an. Hier kommen wir auch schnell mit Fischern und Dorfbewohnern ins Gespräch, die alle unaufgeregt freundlich sind und auch das Ankommen in dieser Hinsicht zu einem Highlight machen. Uli, Gerda (zusammen) und Till unternehmen Landgang und Landlauf und sind absolut begeistert von dieser Natur, die bereits einen wilden Eindruck vermittelt. Ein toller Ort, um jetzt drei Tage abzuwettern. 

Text: Till